Wie funktionieren "moderne" Arbeitsformen? Ein Blitzlicht aus dem Zukunftswerk-Team

Matthias Reichhart
vor 6 Monaten5 min. Lesezeit

Der Ruf nach neuen Formen der Zusammenarbeit ist laut – es wird über die 4-Tage-Woche, Work-Life-Balance, Work-Life-Blending und New Work diskutiert, Führung heißt jetzt Leadership und über allem hängt die graue Wolke Fachkräftemangel.

Nicht in jedem Unternehmen treten die selben Herausforderungen zutage, jede Organisation hat individuell relevante Themen und Lösungen. Bei Zukunftswerk arbeiten wir zeitlich flexibel, im Home-Office verteilt auf drei Länder und mit unterschiedlichen beruflichen und privaten Hintergründen. Wir geben gerne Einblick, wie unsere Mitarbeitenden die Vorzüge sowie die Herausforderungen unseres Modells sehen.

Flexibles Arbeiten bei Zukunftswerk

Seit Gründung der Genossenschaft Zukunftswerk 2012 haben wir mit verschiedensten Menschen zusammengearbeitet, uns gemeinsam entwickelt und auch energisch diskutiert. In unserem Team sind derzeit elf Personen beschäftigt – mit unterschiedlichsten Hintergründen, Arbeitsstilen und Persönlichkeiten. Unser Firmensitz ist Peißenberg, dabei leben wir verteilt auf drei Länder: von Berlin über Süddeutschland nach Wien bis Rom.

Wir beraten nicht nur andere zu deren Unternehmenskultur, sondern sind ebenso ein soziales System, in dem wir Arbeitsformen, die wir für sinnvoll halten, ausprobieren – und dabei Probleme identifizieren und Lösungen suchen. Unsere Herangehensweise – auch das Genossenschaftsmodell, in dem die meisten Mitarbeitenden Anteile an Zukunftswerk haben –  halten wir für zeitgemäß, pragmatisch und familienfreundlich, mit Gestaltungsmöglichkeiten und großer persönlicher Freiheit.
Der Begriff „New Work“ stammt im Übrigen bereits aus den 70er Jahren. Der Philosophie-Professor Frithjof Bergmann begründete eine völlig neue Sichtweise auf Arbeit, weit umfassender und revolutionärer gedacht als das, was heute darunter verstanden wird.

In der Praxis: Welche Themen beschäftigt das Zukunftswerk-Team?

Flexible Arbeitszeiten, die teilweise große räumliche Distanz zwischen uns, unterschiedliches Alter und individuelle Berufserfahrungen prägen unser Verhalten und unsere Arbeitsweise. Im Folgenden geben wir gerne Einblick, wie Zukunftswerk-Mitarbeitende die Vorzüge sowie die Herausforderungen unseres Modells sehen:

„Unsere Unternehmenskultur wird wesentlich von der Tatsache geprägt, dass wir alle zu 90 % im Homeoffice arbeiten. Das bringt mir persönlich die Freiheit und Flexibilität, die ich mir wünsche.

Dennoch habe ich bemerkt, dass mein Zeitmanagement nicht immer perfekt ist. Ich arbeite daran, Überstunden und das Arbeiten während meiner Mittagspause zu vermeiden. Obwohl Homeoffice effizient und oft störungsfrei ist, vermisse ich den sozialen Kontakt und würde mich freuen, öfter eine entspannte Kaffeepause mit Kollegen und Kolleginnen zu genießen.“

„Obwohl ich das jüngste Mitglied des Zukunftswerk-Teams bin, scheine ich auf den ersten Blick die traditionellste Arbeitsweise auszuleben: Ganz aus eigenem Drang arbeite ich 40-Stunden die Woche, montags bis freitags, nahezu immer von 08:00 bis 17:00 Uhr.

Im Zukunftswerk macht mich das zum Sonderfall. Und trotzdem komme ich in den Genuss der Freiheiten, die das Zukunftswerk bietet, und zwar immer dann, wenn der Alltag sich erlaubt, in die Arbeitszeit einzudringen. Man könnte befürchten, dass die Flexibilität der eigenen Arbeitszeit dazu führt, dass das Zukunftswerk keinen Feierabend und keine Wochenenden kennt, denn viele der Kolleg*innen gestalten ihre Arbeitswoche weitaus unkonventioneller als ich. Doch in der Realität wirkt sich das nur auf mich aus, wenn ich versuche, stets erreichbar zu sein.

Die Herausforderung unseres modernen Arbeitstakts besteht also darin, mich tatsächlich an die selbstgesetzten Vorgaben zu halten. Meine Lösung: Privates und berufliches Online-Sein sind strikt getrennt, die Konten bleiben verknüpft. Und so bleibt jede Nachricht vom vorherigen Freitagabend bis zum Montagmorgen unbeantwortet (nicht, dass irgendwer Anderes erwarten würde).“

„Ich habe einige aus dem Team noch nie persönlich getroffen. Auch, wenn wir uns aus virtuellen Meetings kennen, passiert es mir manchmal – vor allem, wenn kurze Nachrichten im Chat ausgetauscht werden – dass ich in die Kürze des Austausches einen (vermeintlich) negativen Ton hineininterpretiere. Das muss ich mir immer wieder bewusst machen.“

„Ich genieße die Flexibilität, von nahezu überall aus arbeiten zu können. Dabei steht für mich nicht so sehr die konkrete Modalität ‚Home Office‘ im Vordergrund – die nervt manchmal eher – sondern vielmehr die Tatsache, nicht an einen bestimmten Standort gebunden zu sein.

Damit einhergehend bewegen sich die Mitarbeitenden nicht in der selben Bubble, sondern bereichern sich von unterschiedlichen, hübschen Fleckchen aus. Es verschiebt den Fokus weg von der rein kollegialen Arbeitsbeziehung und betont die Individualität. Gleichzeitig fördert es die Motivation sowie das gegenseitige Verständnis, obwohl man sich physisch vielleicht noch nie begegnet ist.“

„Wir leben unsere Beratung vor – so empfinde ich unsere Unternehmenskultur. Bei uns gibt es offene Gespräche, direkte und wertschätzende Kommunikation. Selbstverständlich gibt es im Team auch unterschiedliche Meinungen. Diese werden akzeptiert und respektiert, das ist für mich der Schlüssel zu einer gemeinsamen Lösung.“

„Work-Life-Balance ist ein Begriff, den ich nicht mag. Arbeit und Leben sind für mich keine getrennten Dinge. In meiner Arbeit bei Zukunftswerk kann ich meine privaten Belange wie meine beruflichen Vorstellungen verwirklichen. Priorität bekommt das, was gerade nötig ist.“

Mehr soziale Unternehmenskultur wagen

Die Gestaltung einer sozial nachhaltigen Unternehmenskultur ist Führungsaufgabe und Gemeinschaftsaufgabe zugleich. Dabei gilt: Nobody is perfect. Und aus Fehlern lernt man. Grundlegend sind die Bereitschaft, empathisch und ehrlich interessiert zuzuhören, Aufmerksamkeit für die Bedürfnisse der Mitarbeitenden, Kolleginnen und Kollegen, Raum für Mitgestaltung und konstruktives Feedback sowie Geduld und das Bewusstsein, das Veränderungsprozesse Zeit und Achtsamkeit brauchen.